Buy and Hold bis in alle Ewigkeit?

Ich bin ja eigentlich ein Verfechter des bedingungslosen Buy and Hold. Es hat einige Jahre, viel Indoktrination von Finanzwesir, Tim Schäfer & Co., sowie schmerzhafte Erfahrung mit (oft zu frühem) Verkauf von Aktien gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu kommen.

Aber heißt Buy and Hold tatsächlich, niemals nie zu verkaufen, egal was passiert? Ein paar Entwicklungen lassen mich gerade daran zweifeln:

  • Der Crash war da: Einige meiner bestlaufenden Einzelaktien sind zwischenzeitlich um fast die Hälte eingebrochen. Es ist schon schmerzhaft mit anzusehen, wenn satte Gewinne sich Stück für Stück in Luft auflösen und man sich fragt, warum man nicht die einmal vorhandenen Gewinne abgesichert hat.
  • Ich habe ein paar Altlasten im Depot, die sich teilweise durch Spin-Offs noch zellgeteilt haben und eigentlich mal aus dem Depot gefegt gehören.
  • Die Diskussion unter diesem Artikel hier hat mich nochmal daran erinnert, dass zumindest für Einzelaktien buy and hold bis in alle Ewigkeit nicht unbedingt Sinn macht.

Der letzte Punkt benötigt ein wenig Erklärung: In the long run, das wusste schon John Maynard Keynes zu berichten, sind wir alle dead. Aber nicht nur wir, sondern statistisch gesehen löst sich auf (sehr) lange Sicht auch fast jedes Unternehmen irgendwann mal in Luft auf. Wenn man sich beispielsweise den amerikanischen Dow Jones Index anschaut, ist von den ursprünglichen zwölf Gründungsunternehmen mittlerweile keines mehr im US-Leitindex vertreten. Natürlich sind nicht alle insolvent, viele sind übernommen worden, aufgespalten, fusioniert oder anderweitig von der Bildfläche verschwunden. Und außerdem hat es über 130 Jahre gedauert, bis mit General Electric das letzte der ursprünglichen Unternehmen aus dem Dow Jones geflogen ist.

Wenn man nicht gleich hundert Jahre zurückblicken will, kann man sich aber auch den DAX anschauen: Von den 30 Unternehmen, die Anfang der 80er Jahre den deutschen Aktienindex ausgemacht haben, sind auch schon eine ganze Reihe nicht mehr existent, z.B. Karstadt, Deutsche Babcock, Nixdorf oder die Dresdner Bank. Es gibt zwar Ausnahmen, wie die fast tausendjährige Brauerei Weihenstefan, aber dass ein Unternehmen auch nur hundert Jahre alt wird, ist äußerst unwahrscheinlich, wie Forscher vom Max-Planck-Instititut nachgewiesen haben:

„Ob großer Automobilhersteller, oder systemrelevante Bank, auf kurz oder lang verschwinden alle Unternehmen wieder vom Markt“

Schwund gibt’s immer

Die durchschnittliche Lebenszeit eines Unternehmens beträgt in den USA angeblich nur 10 Jahre. Aber auch Traditionsunternehmen mit jahrzehntelanger Gewinnhistorie kommen irgendwann mal ins Schlingern und haben existenzbedrohende oder -vernichtende Krisen. Von den größten 500 US-Unternehmen verschwindet alle zwei Wochen eines vom Markt.

Keine guten Aussichten also für das buy and hold von Einzelaktien. Bei Indexfonds sieht es etwas anders aus, da für jedes Unternehmen, dass beispielsweise den S&P 500 Index verlässt, ein neues hinzukommt. Das eigene  Investment in den Indexfonds wird dadurch quasi automatisch immer frisch gehalten.

Die Lösung?

Was also tun, wenn man auf einem Haufen Einzelaktien sitzt, und nicht tatenlos zusehen will, wie im Laufe der Zeit ein Unternehmen nach dem anderen in eine Krise schlittert und dramatisch an Wert verliert. Man könnte natürlich alles direkt verkaufen und das Geld in Indexfonds anlegen. Aber was, wenn die verkauften Unternehmen dann erst so richtig im Wert steigen? Nun, der liebe Gott die Depotbank hat genau für dieses Problem ein Instrument geschaffen: den Trailing Stop Loss.

Ich hatte vor einiger Zeit bereits über die Sinnhaftigkeit von Stop Loss Kursen philosophiert, und war nicht wirklich zu einem Ergebnis gekommen. Mittlerweile halte ich einen Trailing Stop Loss aber für ein probates Mittel, zumindest wenn man von einer Aktie fundamental nicht mehr so richtig überzeugt ist, oder sein Depot bereinigen will. Bei einem Trailing Stop Loss setzt man nicht ein hartes Kurslimit, zu dem verkauft wird, sondern definiert den Abstand zum aktuellen Kurs, ab dem eine Verkaufsorder ausgelöst werden soll. Wenn die Aktie weiter steigt, steigt auch der Trailing Stop Loss mit.

Die Idee: wenn ich eine Aktie eh tendenziell loswerden will, verkaufe ich sie nicht, sondern setze einen Trailing Stop Loss. Im schlechtesten Fall verliere ich damit die Differenz zwischen aktuellem Kurs und Stop Loss Kurs, da ich ja erst später zu diesem schlechteren Kurs verkaufe und nicht direkt zum momentan besseren Kurs. Im günstigsten Fall entwickelt sich die Aktie nochmal deutlich nach oben, und ich nehme diesen Gewinn mit, wenn es gut läuft sogar noch auf Jahre hinaus. Ein assymmtrisches Risiko, bei dem mein Verlust nach unten begrenzt ist, der potentielle Gewinn aber nach oben unlimitiert, klingt fast zu gut um wahr zu sein (ist es leider auch, denn wie im Stop-Loss Artikel beschrieben ist das tatsächliche Risiko nach unten nicht so begrenzt wie es scheint).

Praxis

Wie hoch sollte ein Stop Loss also sein. Meine pi*Daumen Regel: Der Stop Loss sollte mindestens zehn Prozent unter dem aktuellen Kurs liegen, um nicht gleich bei irgendwelchen Tagesschwankungen zufällig ausgelöst zu werden. Darüber hinaus schaue ich mir den Kurschart an: Falls es im Bereich von +/- 10 Prozent unterhalb des aktuellen Kurses ein Tief oder eine „Bodenbildung“ gab, setze ich den Stop Loss knapp darunter.  Ich bin zwar kein Anhänger von Charttechnik, aber da es genug Charttechnikjünger im Markt gibt, gewinnt dieser Investmentansatz eine gewisse self fulfilling prophecy: wenn ein Tiefstand erstmal gerissen ist, geht es oft noch deutlich weiter nach unten. Das wäre dann definitiv der Zeitpunkt, sich von dieser Aktie zu verabschieden.

Das ist alles eher inuitiv und keine exakte Wissenschaft, und die Praxis wird zeigen, ob ich damit wirklich gut fahre. Generell gefällt mir aber der simple und zeitsparende Ansatz des Trailing Stop Loss: Im Xetra-Handel kann ich eine Order mit einem Jahr Gültigkeit definieren, d.h. ich brauche mich nur alle zwölf Monate darum zu kümmern, der Rest (Nachziehen des Stop Loss, möglicher Verkauf) passiert vollautomatisch.

Bislang mache ich das nur für Aktien, die eh auf meiner mentalen Verkaufsliste stehen, weil ich sie heute nicht mehr kaufen würde. Bei Aktien, die ich nach wie vor für ein sinnvolles Investment halte, ist ein Kursrückgang für mich eher ein Signal zum Nachkauf, was sich glücklicherweise schon das eine oder andere Mal bewährt hat. 

9 Gedanken zu „Buy and Hold bis in alle Ewigkeit?“

  1. Ich finde wie lange man eine Aktie hält sollte man von dem Grund des Kaufs abhängig machen. Kaufen und halten macht nur Sinn wenn das Unternehmen sehr hohe Kapitalrenditen erzielt (was Dividendenaristokraten meistens tun). Bei vielen andren Unternehmen oder zu geringem Wachstum ist ein Verkauf bei Überbewertung das richtige. Aber wenn man lange halten will muss man von Anfang an nur Unternehmen mit top-Aussicht und Marktstellung kaufen.

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    • Dividenden hatte ich hier gar nicht angesprochen, aber das ist natürlich ein wichtiger Punkt: Wenn mir eine Firma wie Daimler mein eingesetztes Kapital über die Jahre in Form von Dividenden wieder ausschüttet, ist es sehr viel weniger dramatisch, wenn der Kurs der Firma irgendwann mal einbricht, denn ich habe meinen Einsatz zwischenzeitlich ja quasi schon zurückverdient.

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  2. Hi Teilzeitinvestor,

    Super spannender Gedankengang über die „Lebenszeit“ von Unternehmen – da lohnt sich garantiert ein tieferer Einblick.

    Ich persönlich würde dann aber hier einfach einen klaren Vorteil von ETFs festhalten, denn da kann ich einfach passiv den Index halten.

    Als Einzelaktien Investor sollte man sich dann vielleicht bestimmte Kennzahlen aller Aktien im Portfolio einmal im Jahr anschauen. Und gegen vorher festgelegte Schwellen vergleichen!? Um das Bauchgefühl „auszuschalten“?

    Viele Grüße
    Thorsten

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  3. Mit Stop Loss habe ich leider hauptsächlich negative Erfahrungen gemacht, auch wenn das Konzept in der Theorie natürlich einleuchtend wirkt.
    Die Kurseinbrüche, vor denen man sich schützen will, finden nicht selten außerhalb der offiziellen Handelszeiten statt. Dann wird der Stop Loss entweder im außerbörslichen Handel oft unkontrolliert zu extrem schlechten Preisen (oder bei Limit gar nicht) getriggert und man verliert deutlich mehr oder bei offiziellem Handelsbeginn viel zu spät.
    Auch innerhalb der Handelszeiten bei zu starkem Absturz in zu kurzer Zeit kann es passieren, dass Stop Loss nicht wie gewünscht getriggert wird. Da kann dann sowas bei herauskommen: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/franken-kurs-ingenieur-setzt-2800-und-verliert-280-000-euro-a-1023799.html

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  4. Hi,
    danke für den Artikel.
    Zwei Aspekte möchte ich einbringe:

    1. Du schreibst: „Die durchschnittliche Lebenszeit eines Unternehmens beträgt in den USA angeblich nur 10 Jahre. Aber auch Traditionsunternehmen mit jahrzehntelanger Gewinnhistorie kommen irgendwann mal ins Schlingern und haben existenzbedrohende oder -vernichtende Krisen. Von den größten 500 US-Unternehmen verschwindet alle zwei Wochen eines vom Markt.“

    Mein Kommentar: Viele diese Unternehmen gibt es nicht mehr, weil sie schließlich aufgekauft werden. Entweder, weil sie in wirtschaftlich schlechter Lage billig sind oder weil sie in aufstrebender Phase extrem attraktiv sind. Es bedeutet nicht, dass man automatisch „leer“ ausgeht, wenn man Unternehmen gehalten hat, die es dann nicht mehr gibt – frag doch mal die Monsanto-Aktionäre. ZWar schreibst du dieses „leer“ ausgehen nicht aber es schwingt in der Konnotation mit.

    2. Du schreibst: „Die Idee: wenn ich eine Aktie eh tendenziell loswerden will, verkaufe ich sie nicht, sondern setze einen Trailing Stop Loss. Im schlechtesten Fall verliere ich damit die Differenz zwischen aktuellem Kurs und Stop Loss Kurs, da ich ja erst später zu diesem schlechteren Kurs verkaufe und nicht direkt zum momentan besseren Kurs. “

    Mein Kommentar: Du vergisst einen möglichen Opportunitätsverlust. Es gibt den Fall, dass der Aktienkurs nahezu gleich bleibt, während der gesamtmarkt stark steigt. Oder deine Aktie steigt jährlich 2%, der Gesamtmarkt aber 8%. Über einige Jahre kommt da einiges zusammen. Daher meine Antwort: Ich würde keinen Stop-Loss setzen; sondern mich gleich entscheiden. Was ist der VOrteil des Stop-loss? Einen möglichen Gewinn, dass die AKtie, obwohl sie einem nicht mehr attraktiv erscheint, nochmal einen Sprung nach oben macht, mitzunehmen? Und das mehr als der Markt! Das scheint mir eher Spekulation als Investition zu sein – und nicht die Beste.

    Liebe Grüße,
    Tobias

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    • Beides richtig. Die durchschnittliche Lebenszeit von 10 Jahren für ein Unternehmen klingt dramatischer als es ist, denn nicht jede Firma verschwindet aufgrund einer Pleite. Dennoch: Auf lange Sicht wird die Wahrscheinlichkeit immer höher, dass ein Unternehmen irgendwann mal in eine existenzbedrohende bzw. -vernichtende Krise gerät.
      Was die Opportunitätskosten beim Stop Loss angeht: Das geht natürlich auch in die andere Richtung, d.h. die Aktie kann sich auch besser als der Markt entwickeln. Aber es stimmt schon: Wenn man einer Aktien nichts mehr zutraut, sollte man sie rein rational sofort verkaufen.

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  5. Hallo,
    also ich mache „buy and hold“ .. und generell zum Verkauf … die Frage kaufen oder verkaufen stellt sich bei langfristigen Aktionären nicht … sie bleiben dem Unternehmen verbunden … auch in schlechten Zeiten … wer verkauft hat seine Hausaufgaben vorher nicht gemacht …. Aktien für immer … Krisen passieren … dazu ist die Welt insgesamt mittlerweile zu sehr miteinander verwoben und dementsprechend „dünnhäutig“ …fragil …. da helfen nur solide Informationen wie beispielsweise die langfristige Entwicklung von Dividenden Z.B beim DAX … das hilft bei der (vorherigen) Einschätzung einer Aktie …
    Schöne Grüße
    Uwe

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