Ich geb’s zu, ich bin nicht immun gegen Lockangebote. Nachdem die Tages- und Festgeldzinsen in den letzten Wochen fast überall die Drei Prozent Marke nach unten durchbrochen haben, waren die vier Prozent Zinsen aufs Tagesgeld, die Trade Republic gerade öffentlichkeitswirksam feilbietet, ein Angebot das ich nicht ablehen konnte. Ich wollte mir eh mal anschauen, was der Neobroker so drauf hat, auch wenn ich nicht wirklich vorhabe, zum Daytrader zu mutieren.
Die Kontoeröffnung ging schon mal sehr reibungslos. Wie bei Vivid oder N26 läuft alles komplett über die App. Der Identifizierungsprozess mit Ausweis-Scan und Selfie-Foto ist zwar immer noch nervig, aber viel besser kann man das vermutlich nicht machen, wenn man die gesetzlichen Anforderungen erfüllen will. Ganz schlau ist, dass Trade Republic die Infos nicht alle auf einmal abfragt, sondern erstmal mit dem nötigsten anfängt, und den Rest (Steuer-ID etc.) dann häppchenweise nachfordert. Das senkt die anfängliche Hürde, um erstmal ins Online-Banking reinzuschauen und nicht frustriert den Prozess abzubrechen.
Die PUK, die man für Änderungen von persönlichen Kundendaten benötigt, wird einem per 1 Cent Überweisung auf das Referenzkonto mitgeteilt, auch mal was neues. Wahrscheinlich könnte man sich daraus ein Geschäftsmodell basteln, denn nach Verwendung der PUK (z.B. für die Änderung seiner Handynummer) bekommt man erneut ein Cent überwiesen, um eine neue PUK mitzuteilen. Einfach tausend mal die Handynummer bei Trade Republic ändern, und schon hat man 10 Euro zusammengeschnorrt. Aber ich schweife ab…
Die App selber kommt optisch ganz frisch rüber, ist aber alles andere als intuitiv und aufgeräumt. Man wischt zumindest anfangs etwas planlos hin- und her, um sich zurechtzufinden. Es wirkt ein bisschen, als habe man sich bewusst gegen eine klare und einfache Navigation entschieden, um bloß nicht zu spießig rüberzukommen. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu alt für die angedachte Gen-Z Zielgruppe.
Wo ist der Haken?
Die vier Prozent Tagesgeld sind bei Trade Republic mit vergleichsweise wenig Haken verbunden: Sie gelten sowohl für Neu- als auch für Bestandskunden, was ich prinzipiell schon mal für sehr schlau halte. Nichts verärgert treue Stammkunden mehr als zu sehen, dass man als jahrelanger Kunde schlechter gestellt wird als wankelmütige Neukunden. Der Zinssatz gilt auch nicht nur für eine bestimmte Frist, wie das bei Lockangeboten üblich ist, sondern zeitlich unbegrenzt. Natürlich kann Trade Republic den Zinssatz jederzeit an die aktuellen Marktbedingungen anpassen, es ist ja kein Festgeld sondern Tagesgeld. Die jetzigen vier Prozent gelten allerdings schon seit Oktober 2023, was erstaunlich stabil ist. Auch fair: die Zinsen werden monatlich ausgezahlt.
Ein Haken ist allerdings, dass man die Zinsen in der App erstmal „aktivieren“ muss. Wenn man vergisst, das entsprechende Knöpfchen zu drücken, gibt es nix. Das ist schon maximal kundenunfreundlich – es würde mich nicht wundern, wenn der eine oder andere nach einigen Monaten eine unschöne Überraschung erlebt, weil er übersehen hat, dass die Zinsen „eingeschaltet“ werden müssen. Zur Verteidung muss man allerdings sagen, dass der Knopf nicht irgendwo versteckt im dritten Untermenü zu finden ist, sondern recht prominent in der App gezeigt wird.
Auch nicht so super: Überweisungen zu Trade Republic dauern lange, gerne mal zwei bis drei Tage. Das ist nicht nur unkomfortabel, sondern kostet im Zweifel auch Zinsen, wenn die Wertstellung auf dem Konto entsprechend später erfolgt und einem für diese Zeit die Zinsen entgehen. Echtzeitüberweisungen helfen leider auch nicht, die kommen genau so langsam an. Eine Rücküberweisung von Trade Republic auf das Referenzkonto ging hingegen am selben Tag durch, obwohl das laut App auch 1-3 Werktage dauern kann.
Die größte Einschränkung allerdings ist, dass die vier Prozent Zinsen nur bis 50.000 Euro Einlage gelten. Alles über 50.000 Euro wird nicht etwa schlechter verzinst, wie das bei anderen Banken üblich ist, sondern gar nicht. Das macht die Aktion für Trade Republic kalkulierbar, für vermögendere Anleger aber nicht ganz so interessant.
Viel mehr Geld würde ich bei Trade Republic aber eh nicht unbedingt anlegen wollen. Das Geld liegt nämlich nicht bei Trade Republic selber, sondern bei einer von mehreren Partnerbanken (derzeit: Deutsche Bank, JP Morgan, Citybank, und HSBC). Zwei der vier Partnerbanken unterliegen der deutschen Einlagensicherung, die beiden anderen (Citybank und HSBC) allerdings der irischen, mit entsprechend schlechterer Bonität. Wo genau das eigene Geld liegt, kann man nicht steuern, allerdings erkennt man es an der BIC in den Kontodaten (danke an Leser Thorsten für den Hinweis) – in meinem Fall bin ich bei „CHASDEFXXXX“, also bei JP Morgan gelandet, Glück gehabt.
Das ganze Konstrukt erscheint mir ziemlich intransparent. Aber da Trade Republic eine deutsche Banklizenz mit entsprechender Aufsicht der BaFin hat, vertraue ich einfach darauf, dass das mit deutscher Gründlichkeit überwacht wird. Meine (leider fiktionale) Millionenerbschaft würde ich hier aber eher nicht anlegen, und auch Festgeld wäre mir bei diesem Konstrukt zu risikoreich. Tagesgeld kann man beim leisesten Verdacht hingegen einfach abziehen. Man muss halt nur unter den ersten sein, wenn es mal zu einem Bank Run kommt 😉
Natürlich will Trade Republic auch Geld verdienen. Das geht sicher nicht mit diesem Tagesgeldangebot, das soll nur der Einstieg sein, um die Leute zum traden zu bringen. Denn der Laden heißt schließlich nicht Tagesgeld Republic, das Geschäftsmodell ist, am Börsenhandel zu verdienen. Als Lockmittel bietet man eine „Gratisaktie“ im Wert von 10 Euro an, die man aber nur bekommt, wenn man mindestens zwei Trades durchführt. Wahrscheinlich werd ich hier sogar anbeissen. Nicht wegen der 10 Euro, sondern ganz selbstlos um hier im Blog meine Erfahrungen mit der Plattform für Artikel zu verwursten.
Was bringt’s?
Beim Zinshopping sollte man sich immer vor Augen halten, was dabei am Ende rauskommt und ob es den Aufwand lohnt. Rechnen wir mal nach: Bei meiner Hausbank MeineBank gibt es aufs Tagesgeld derzeit 2,5 Prozent Zinsen für Bestandskunden. Das ist gar nicht so schlecht, DKB oder Diba bieten deutlich weniger (1,75 bzw. 1,25%). Gehen wir von 50.000 Euro Anlagesumme aus und rechnen mal optimistisch damit, dass die 1,5% Unterschied zwischen MeineBank und Trade Republic über ein ganzes Jahr bestehen bleiben:
50.000 EUR * 1,5% = 750 EUR im Jahr.
Das ganze vor Steuern – wenn man seinen Freibetrag schon ausgeschöpft hat gehen noch 25% Abgeltungssteuer runter, macht netto 562 Euro. Das ist schon relevantes Geld, dafür kann ich zwei Stunden Aufwand für Kontoeröffnung und Überweisungen in Kauf nehmen. Ich gehe aber eher davon aus, dass sich der Spread zwischen Trade Republic und MeineBank (nach unten) angleichen wird. Wenn wir von 1% Zinsunterschied über ein Jahr ausgehen, sind es nur noch 500 Euro bzw. 375 Euro nach Steuern. Immer noch ganz gut, aber wirklich reich wird man dadurch sicher nicht.
Und sonst so?
Neuestes Produkt von Trade Republic zur Kundenbindung ist eine Kreditkarte. Diese wird mit sagenhaften 1% Cashback auf die Umsätze beworben. Das klingt aber nicht nur zu gut um wahr zu sein, das ist es in der Praxis auch: Die 1% gelten nur bis maximal 15 Euro im Monat, und die bekommt man auch nur, wenn man gleichzeitig mindestens 50 Euro im Monat in einen Wertpapiersparplan investiert. Trotzdem hat man – künstliche Verknappung sei dank – mittlerweile über 1 Mio Kunden auf der Warteliste für die Karte. Marketing können die Jungs (und Mädels) bei Trade Republic offensichtlich. Ich hab eigentlich keinen Bedarf an einer weiteren Kreditkarte, aber mal schauen, ob mich auch hier der Spieltrieb packt und ich mir das Ding trotzdem zulege.
A propos Marketing. Es gibt natürlich auch ein Kunden-werben-Kunden Programm. Das zahlt nicht nur ein paar Euro Provision an den Werber, sondern schiebt ihn in der Warteschlange für die heißbegehrte Kreditkarte weiter nach vorne. Vermutlich einer der Gründe, warum Trade Republic in den Finanzblogs aktuell häufig vorkommt. Wie gesagt, Marketing können sie…
Hallo. Eine Info in dem Artikel ist leider falsch.
Man erkannt an seiner IBAN bzw. BIC, bei welcher Bank das eigene Konto geführt wird 🙂
ah, danke für die Info. Muss ich gleich mal nachschauen
tatsächlich. Ist im Artikel korrigiert
Die Navigation durch die App war bis vor ein paar Monaten noch deutlich einfacher. Dann musste alles moderner werden. Und seitdem ist es so unübersichtlich.
Es gab damals einige Bescherden von Langzeit-Nutzern.
na, dann bin ich zumindest nicht der einzige der das Design nur so mittel übersichtlich findet