Jahresrückblick 2022

Ok, wow, der letzte Artikel im Blog war der Jahresrückblick 2021, scheint wohl nicht so viel passiert zu sein im letzten Jahr 😉 Dennoch höchste Zeit für einen neuen Jahresrückblick.

Was ist also die letzten zwölf Monate gelaufen in der Finanzwelt? Zunächst einmal: Endlich scheint der Crash da zu sein, auf den ich seit seit Anbeginn dieses Blogs warte. Zumindest wenn man den Katastrophenmeldungen in der Finanzpresse glauben darf. Wenn man schon etwas länger dabei ist, sieht das Bild allerdings (noch) gar nicht so düster aus. Klar, Hypeaktien wie Peloton, Coinbase oder Zoom sind um teilweise mehr als 90% abgestürzt. Allerdings waren diese Aktien vorher auch komplett außer Rand und Band gelaufen, was die Bewertung anging, und das bei in der Regel negativen Cashflows und wackeligen Geschäftsmodellen. Und selbst nach dem Absturz von über 90 Prozent ist beispielsweise Coinbase immer noch mit über 8 Milliarden Dollar bewertet, nicht viel weniger als die Commerzbank, die doppelt soviel Umsatz macht und dabei sogar Gewinn.

Big picture

Aber auch bei den großen Tech-Werten ging es vom Allzeithoch kräftig runter: Microsoft, Facebook, Apple, alle haben satt zweistellig verloren. Doch auch hier sieht es bei näherem Hinsehen nicht nach einer Katastrophe aus, eher nach einem Zurückfallen auf die Normallinie. Schauen wir uns zum Beispiel mal Microsoft an: Nach dem gestrigen Kursrutsch steht die Aktie bei 229$, was gut ein Drittel weniger ist als das Allzeithoch von 335$.

Microsoft Langzeitchart

Auf dem langfristigen Kurschart sieht das gar nicht mal so übel aus und die Aktie bewegt sich durchaus noch in einem langfristigen Aufwärtstrend. Und steht beispielsweise fast 70 (!) Prozent höher als im Corona Crash Anfang 2020. Es ist also noch eine Menge Luft nach unten.

Relativitätstheorie

Das zweite große Thema des Jahres war natürlich die Inflation, die viele Gold Bugs und Bitcoin Bros zwar auch schon seit Jahren erwartet haben, die dann aber in der Geschwindigkeit und Heftigkeit so viele wohl nicht auf dem Zettel hatten. Den offiziellen Zahlen von acht bis neun Prozent steht die gefühlte Inflation entgegen, die beim Bäcker und im Supermarkt eher bei 30 bis 50 Prozent liegt. Einziger Lichtblick: Die Rückkehr der Guthabenzinsen. Natürlich sind zwei Prozent Guthabenzinsen bei neun Prozent Inflation ein schlechtes Geschäft. Aber noch schlechter wären null Prozent Zinsen, alles ist relativ.

So, genug Makroökonomie, schauen wir uns mal an wie das Jahr konkret für mich gelaufen ist:

Einzelwerte

Nachdem ich 2021 keine Einzelaktien gekauft habe, war ich 2022 vergleichsweise aktiv: Erster Kauf war gleich im Januar Biontech. Der Corona-Gewinner war vom Allzeithoch deutlich zurückgekommen und in meinen Augen fundamental auf einem sehr attraktiven Niveau angekommen, selbst wenn die Megagewinne durch den Covid-Impfstoff deutlich zurückgehen. Die Pipeline mit vielversprechenden Krebstherapien ist gut gefüllt, und bis die irgendwann Geld abwerfen sorgt das Impfstoffgeschäft für den nötigen Cashflow. Leider war ich mit dem Kauf etwas zu früh dran, der Kurs hatte sich von 195 Euro zwischenzeitlich nochmal fast halbiert. Derzeit steht die Position noch knapp 30 Prozent unter Wasser. Wenn es weiter zurückgeht, werde ich vermutlich nochmal nachlegen.

Durch die plötzlich anspringende Inflation war ich dann im Frühjahr mit der Frage beschäftigt, wie ich mich dagegen absichern oder weiter diversifizieren kann. Eine Anlageklasse, in der ich bislang gänzlich unterbelichtet war, sind Immobilien. Und die sind ein bombensicherer Hedge gegen Inflation, das weiss ja jedes Kind… Da ich selber nicht Bauunternehmer oder Vermieter werden wollte, habe ich bei DIC Asset zugeschlagen, einer Immobilienaktie die ich schon länger auf dem Radar hatte: konservatives Portfolio aus Gewerbeimmobilien, attraktive Dividende, und, so dachte ich, günstige Bewertung in Relation zum Immobilienbestand. Nicht bedacht hatte ich, dass mit steigender Inflation auch die Zinsen kräftig anziehen, und damit den kompletten Immobilienmarkt unter Druck setzen. Die DIC Aktie ist dabei kräftig unter die Räder gekommen, und meine Position ist, trotz Nachkauf zu günstigeren Kursen, immer noch tiefrot. Dennoch (oder gerade deswegen), überlege ich, hier nochmal nachzulegen, die Aktie scheint einen Boden erreicht zu haben.

Wo viel Schatten ist, ist auch etwas Licht: Mein dritter Kauf war im April der Streamingkönig Netflix. Hier habe ich es tatsächlich mal geschafft, zum Tiefpunkt einzusteigen (zumindest aus heutiger Sicht). Der Kurs war komplett ausgebombt und hatte sich vom Allzeithoch mehr als gedrittelt, weil zum ersten Mal die Zahl der Abonnenten zurückging, und die Wachstumsstory damit scheinbar vorbei war. Mächtige Konkurrenten wie Disney, Amazon und Apple drohten, dem Platzhirsch Netflix das Wasser abzugraben, und Disney hat es (mit einigen Rechentricks) zwischenzeitlich sogar geschafft, einen höheren Abonnentenstamm zu erreichen als Netflix.

Ich sehe die Zukunft von Netflix deutlich positiver: Man hat eine starke Marke, einen riesigen regelmäßigen Cashflow, und ist im Gegensatz zum Wettbewerb wirklich global aufgestellt, nicht nur mit US-Massenware, sondern mit lokalen Produktionen aus Spanien, Deutschland, Korea, etc., die weltweit erfolgreich vermarktet werden. Die Konkurrenz gewinnt zwar Marktanteile, aber nur durch massive Investitionen und Dumpingpreise die auf Dauer nicht tragfähig sind. Disney beispielsweise verschenkt in Deutschland immer mal wieder Jahresabonnements im großen Stil. Damit kann man zwar schnell hohe Abonnentenzahlen vorweisen, aber kein Geld verdienen. Netflix hingegen hat einige Stellschrauben, mit denen das Geschäft schnell deutlich lukrativer werden kann, z.B. durch Zurückfahren der immensen Produktionsbudgets, oder durch Einführung werbefinanzierter Abos. Und während es durch die Konkurrenz schwieriger wird, fremde Film- oder Serienlizenzen zu erwerben, schafft es Netflix in schöner Regelmäßigkeit, mit neuen Eigenproduktionen weltweit erfolgreich zu sein, von Haus des Geldes über Squid Game bis zu Wednesday.

Meine Netflix Position steht aktuell satte 60 Prozent im plus, und auch hier überlege ich, nochmal aufzustocken.

Beste Aktie 2022

Neben Neuzugang Netflix, der ganz hervorragend performt hat, ist aus den Bestandsaktien ein eher überraschender Gewinner dabei: Die Commerzbank hat sich 2022 mit fast 30 Prozent plus dem allgemeinen Markttrend erfolgreich widersetzt. Allerdings bin ich bei Commerzbank schon länger mit weit höheren Einstiegspreisen dabei, so dass das Drittel Kurssteigerung im letzen Jahr leider nur einen Rundungsfehler im gesamten Depot ausmacht.

Schlechteste Aktie 2021

Die rote Laterne für die schlechteste Performance bleibt wo sie auch schon 2021 war: Fresenius Medical Care hat nach 18% Minus im vorletzten Jahr 2022 nochmal über 46% nachgegeben, für einen DAX Wert eine desaströse Entwicklung. Neben den Auswirkungen durch die Coronapandemie auf das Dialysegeschäft haben die Bad Homburger vor allem mit der Inflation zu kämpfen. Von den Gesundheitsträgern bekommt man feste Erstattungssätze für die Patientenversorgung, während die Kosten inflationsbedingt durch die Decke gehen. Da bleibt am Ende nicht mehr viel Marge hängen. Ein weiterer Negativrekord: Die neue Vorstandsvorsitzende Carla Kriwet, die das Ruder rumreissen sollte, hat ganze zwei Monate durchgehalten, bevor sie ihren Posten wieder abgeben musste. 2023 wird es bei FMC mit Sicherheit große Veränderungen geben. Michael Sen, der neue Vorstand der Muttergesellschaft Fresenius, ist angetreten, um den DoppelDAX-Konzern komplett umzubauen. Mal schauen, was das für den Aktienkurs bringen wird.

Indexfonds

Auch dieses Jahr habe ich außer dem Wertpapiersparplan auf den Stoxx Europe 600, der das ganze Jahr über durch lief, mein ETF Portfolio nicht erweitert. Ich würde gerne meinen US-Anteil deutlich ausbauen mit einem S&P 500 Indexfonds  – das Bewertungsniveau ist mir in den USA aber trotz der aktuellen Kursrückgänge immer noch zu hoch. Zumindest steigt der Euro seit einiger Zeit wieder, was die Bewertungen aus europäischer Sicht auch etwas attraktiver macht.

Zu den Dividendenrenditen der Indexfonds wird es in den kommenden Tagen noch eine detaillierte Jahresendauswertung geben.

Festgeld und Tagesgeld

Durch die drastische Anhebung der Leitzinsen sind auch die Guthabenzinsen endlich in Bewegung gekommen. Ich würde derzeit Geld nicht länger als zwölf Monate anlegen, weil die Zinsen dieses Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit noch weiter steigen. Für 1-Jahres-Festgeld erhält man mittlerweile bei der akf Bank und der pbb direkt 2,2 bwz. 2,25 Prozent Zinsen, bei deutscher Einlagensicherung. Das ist im Vergleich zu neun Prozent Inflation zwar immer noch nicht toll, aber besser als nichts. Selbst für Tagesgeld gibt es wieder etwas: Ich habe ein neues Konto bei der „Meine Bank“ eröffnet, das für die ersten vier Monate 1,5 Prozent Zinsen zahlt. Mal sehen, wie sich die Konditionen nach der Anlockphase entwickeln, aber bis dahin ist das Zinsniveau vermutlich generell noch weiter gestiegen. Hinter Meine Bank steckt übrigens die beschauliche Raiffeisenbank Hochtaunus aus Bad Homburg, ein Nachbar von Fresenius Medical Care sozusagen. Hoffen wir mal, dass die Performance bei den Genossen besser ist als bei Fresenius.

Gesamtperformance

Mein Net Worth ist 2022 um knapp ein Prozent gestiegen. Angesichts der Talfahrt sämtlicher Börsen ist das immer noch ein okayes Ergebnis, das ich natürlich vor allem durch zusätzlich angespartes Geld erreicht habe. Wenn man die Inflation berücksichtigt, hat mein Vermögen allerdings real um einige Prozent abgenommen. Überhaupt geht es durch die Inflation das erste Mal seit Jahren nicht mehr darum, Vermögen aufzubauen, sondern eher um die Frage, wie man das Erreichte halbwegs absichern kann gegen den drohenden Wohlstandsverlust, der die gesamte Gesellschaft gerade erfasst.

Ich bin mitterweile vorsichtig optimistisch, dass die EZB auf dem richtigen Weg ist, nachdem sie das Problem anfänglich lange ignoriert hat. Weitere Leitzinsanhebungen werden die Inflation im Laufe des neuen Jahres wohl auf ein erträgliches Maß zurückführen. Allerdings bedeutet das für den Aktienmarkt kurzfristig nichts gutes, steigende Zinsen führen fast zwangsläufig zu weiter sinkenden Kursen. Aber einen Tod muss man sterben, und eine aus dem Ruder laufende Inflation hätte noch ganz andere Konsequenzen als eine leichte Rezession und ein paar Jahre Bärenmarkt an der Börse.

Blog

Neues gab es von mir nur auf Twitter, im Blog hingegen kein einziger neuer Artikel, vom Jahresrückblick mal abgesehen. Da geht 2023 auf jeden Fall mehr, zumindest ist das der gute Vorsatz fürs neue Jahr.

Allen Lesern vielen Dank für die Aufmerksamkeit, und für 2023 Glück, Gesundheit und reichlich Zinsen und Dividenden!

Nachkauf: Walgreens Boots Alliance

Wertpapier Kauf

Wenn man eines beim Lesen dieses Blogs feststellen kann, dann dass ich aus Erfahrung nicht klug werde. Eigentlich predige ich ja hier schon seit jeher das Loblied auf passives Investieren mit Indexfonds. Dennoch kann ich es nicht lassen, ab und zu doch mal wieder einen vielversprechenden Einzeltitel zu kaufen, weil ich vermeintlich schlauer bin als der Markt. Und dann rückblickend feststelle, dass ein simpler ETF All World deutlich mehr Rendite gebracht hätte.

Letztes Jahr war das Einzelinvestment Walgreens Boots Alliance, ein sogenannter Dividendenaristokrat, der seit Jahrzehnten zuverlässig eine stetig steigende Dividende zahlt. Der Kurs war unverständlicherweise auf einem Tiefpunkt, da hieß es zuschlagen. Mit dem Kauf hatte ich scheinbar ein glückliches Händchen, denn der Kurs schnellte bis Jahresende um 13 Prozent nach oben, die Dividende wurde pünktlich gezahlt, und zusätzlich winkte eine lukrative Übernahme durch einen Finanzinvestor.

Enter Corona

2020 kam dann aber der Covid-19 Einbruch auf den Märkten. Eigentlich wären Pandemiezeiten für einen Gesundheits- und Nahversorger wie Walgreens gar nicht so schlecht: Neben Medikamenten und Desinfektionsmitteln bekommt man bei Walgreens in den USA nämlich auch Klopapier, Dosensuppen und alles andere was man für die Quarantänevorbereitung benötigt. Der Umsatz ist im zurückliegenden Geschäftsjahr tatsächlich auch leicht gestiegen, dennoch hatte man insgesamt einen saftigen Verlust zu verbuchen. Insbesondere das Geschäft in Großbritannien unter der Marke Boots läuft wohl nicht rund, und man reagiert mit Jobabbau und Filialschließungen.

Der Aktienkurs ist entsprechen unter die Räder gekommen, und hat sich im Gegensatz zum Gesamtmarkt bislang auch nicht wieder erholt. Ganz im Gegenteil, nach Bekanntgabe der Bilanzzahlen in der letzten Woche stürzte die Aktien nochmal um in der Spitze bis zu 10 Prozent ab. Für mich der Zeitpunkt, nochmal kräftig nachzukaufen. Im Vergleich zum Einstandskurs von 2019 waren die Anteile jetzt über ein Viertel günstiger. Das muss nicht heissen, dass es nicht noch weiter nach unten gehen kann, aber für den Moment war das erstmal ein guter Einstiegspunkt, der Kurs hat sich seitdem wieder leicht erholt.

Diese kurzfristigen Schwankungen sind aber ziemlich irrelevant, mir geht es darum, wie das Investment in fünf oder zehn Jahren da steht. Und hier glaube ich weiterhin, dass das Thema Gesundheitsversorgung langfristig lukrativ und krisensicher ist.  Das reine Retailgeschäft des Verteilens von Arzneimitteln mag zukünftig immer mehr durch Konkurrenz von Onlinehändlern wie Amazon unter Druck geraten. Aber abgesehen davon, dass Walgreens natürlich auch selber schon länger im Onlineversand aktiv ist, nutzt man den Vorteil des landesweiten eigenen Filialnetzes indem man die eigenen Märkte in Richtung Gesundheitsversorgung ausbaut.

Dorfdoktor

Durch die Übernahme von VillageMD hat Walgreens zukünftig neben dem Drogeriemarkt gleich eine Hausarztversorgung im gleichen Haus. Das Rezept das der Arzt dort ausstellt, kann dann nebenan gleich eingelöst werden. Konkurrent CVS, bei dem ich ebenfalls Aktionär bin, geht da schon länger einen ähnlichen Weg, mit den eigenen „Minute Clinics“. Vor dem Hintergrund der in den USA ins absurde steigende Kosten für Krankenversicherung und Gesundheitsversorgung wird so eine vergleichsweise preisgünstige standardisierte Basisversorgung für immer breitere Bevölkerungsgruppen wichtig, und sollte sich daher auch für Walgreens rechnen.

Kauf dich nicht selbst

Die Dividende scheint trotz des verlustreichen zurückliegenden Geschäftsjahres erstmal weiter sicher zu sein, man hebt die Ausschüttung sogar weiter an, um den Titel des Dividendenaristokraten nicht zu verlieren. Nur den Aktienrückkauf hat man erstmal eingestellt, was ich aber auch eher begrüße: Firmengeld in den Kauf eigener Aktien zu stecken ist für mich so ziemlich das unsinnigste, was ein Unternehmen machen kann, auch wenn der Rückkauf durch steigende Kurse den Aktionären zugute kommen soll. Wenn ein Unternehmen mit dem verdienten Geld nichts anzufangen weiss, soll es das Geld schlicht an die Eigentümer ausschütten – genau dafür sind Dividenden ja da  – und nicht nicht mit eigenen Aktien spekulieren. Sieht man sich den Kurschart von Walgreens an, war der Rückkauf der eigenen Aktien in den letzten Jahren nichts anderes als eine große Geldverbrennungsmaschine. Das Spekulieren mit Aktien bekomme ich schon selber nicht hin, da sollte dann bitte Walgreens auch die Finger von lassen.

 

Disclaimer:

Die Inhalte dieser Website stellen keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Sämtliche Aussagen und Einschätzungen basieren auf der persönlichen Meinung des Autors und sind explizit keine Anlageberatung.

Kauf: Walgreens Boots Alliance

Wertpapier Kauf

Nachdem die Achterbahnfahrt mit meinem letzten Aktienkauf CVS Health munter weitergeht, hab ich mir jetzt mal ein anderes fallendes Messer ausgesucht, um beherzt reinzugreifen: CVS Konkurrent Walgreens Boots Alliance habe ich schon länger auf der Watchlist. Nach dem gestrigen allgemeinen Kurseinbruch hab ich jetzt endlich mal zum vermeintlichen Schnäppchenpreis zugegriffen.

Walgreens ist wie CVS eine der großen US-amerikanischen Drogerie- und Apothekenketten. Eine Filiale der beiden findet man in den USA an jeder Straßenkreuzung, und neben Aspirin und Voltaren bekommt man dort auch Cola, Eiscreme oder Cornflakes, die beiden Ketten erfüllen in vielen Gegenden auch gleichzeitig die Funktion eines Tante-Emma-Ladens Nahversorgers.

CVS hat sein Geschäftsmodell in den letzten Jahren allerdings stark ausgeweitet, die Drogeriemärkte sind nur noch ein Standbein, mittlerweile strebt man eine vertikale Integration an, vom Krankenversicherer über Wohnheimbetreiber bis zum Dialyseanbieter. Walgreens ist da eher konservativ unterwegs, das Kerngeschäft sind nach wie vor die Fillialen. Anders als CVS ist Walgreens aber nicht nur in den USA tätig, sondern hat unter der Marke Boots auch international hunderte von Filialen, vor allem in UK und China. Das UK Geschäft macht aber nur einen kleinen Teil des Umsatzes aus, so dass das bevorstehende Brexit-Chaos Walgreens zwar nicht kalt lassen wird, aber das Kerngeschäft nicht existenziell bedroht.

Heute ein König

Dieses Geschäft läuft seit Jahrzehnten sehr profitabel, weshalb man auch bereits seit über 40 Jahren jährlich die Dividende erhöht hat. Walgreens ist damit ein sogenannter Dividendenaristokrat, und sogar kurz vor der Schwelle, in den erlauchten Kreis der Dividenenkönige aufgenommen zu werden. Die Dividendenrendite liegt (nicht zuletzt durch den zurückgegangenen Kurs) mittlerweile bei über drei Prozent. Da Walgreens weniger als ein Drittel des Gewinns ausschüttet, ist für eine kontinuierliche Dividendenzahlung und -erhöhung auch bei stagnierendem Wachstum genug Luft.

Aber warum sieht der Kurschart von Walgreens so katastrophal aus? Während es bei CVS sehr handfeste Gründe für den momentanen Absturz gibt – man musste viel Geld auf die Akquisiton des Wohnheimbetreibers Omincare abschreiben, und die jüngste Übernahme des Versicherers Aetna birgt auch nicht ganz unwesentliche Riskiken – ist der Kursrückgang bei Walgreens nicht ganz so nachvollziehbar. Das Geschäft läuft eigentlich rund. Das zweite Quartal in diesem Jahr war zwar durchwachsen (und führte zu einem fast dreizehnprozentigen Kurssturz), das darauf folgende Q3 übertraf aber die Erwartungen der Analysten in bezug auf Umsatz und Gewinn.

Gibts da auch was von Ratiopharm Amazon?

Allerdings ist der „Elephant in the Room“ bei beiden Firmen der Markteintritt von Amazon. Der E-Commerce-Gigant drängt mit Macht ins Healthcare-Geschäft: Amazon hat vor einiger Zeit den Pillenversender PillPack übernommen, und gemeinsam mit Berkshire Hathaway das Gesundheits-Startup „Haven“ gegründet. Bislang hat das noch keine relevanten Auswirkungen auf das Geschäft von CVS und Walgreens, aber Pessimisten befürchten, dass Amazon hier ähnlich wüten wird wie im Buchhandel, und alle bestehenden Anbieter vom Markt fegen wird. Ich sehe da durchaus auch eine Gefahr, aber ganz so einfach wie Bücher verkaufen ist das Pharma-Retailgeschäft nicht, hier gibt es schon so einige Hürden in bezug auf Compliance und Regulierung zu überwinden, und sowohl CVS als auch Walgreens haben durchaus ein paar Trümpfe in der Hand.

Das große Ganze

Mindestens ebenso wichtig für den Kurs von Walgreens ist aber die Entwicklung des Gesamtmarktes. Ich habe seit über eineinhalb Jahren keine neuen Aktien mehr gekauft (vom ETF-Sparplan mal abgesehen), weil mir die Bewertungen, vor allem in den USA, insgesamt viel zu heiß gelaufen sind, und ein größerer marktbreiter Einbruch der Aktienkurse einfach irgendwann kommen muss. Vor allem wo sich dank drohendem No-Deal-Brexit, Trumps schwelendem Handelskrieg mit China und der EU und der Krise am Golf die weltwirtschaftliche Situation immer mehr vedüstert.

Dass ich jetzt doch bei Walgreens zugegriffen habe liegt v.a. daran, dass Walgreens bereits seinen Crash hinter sich hatte. Der Kurs hat sich seit den Höchstständen von 2015 fast halbiert und ist, gemessen an KGV und anderen Bewertungsgrößen auf historisch eher niedrigem Niveau angelangt. Was leider keine Garantie gegen einen weiteren Absturz ist, denn wenn der Markt erstmal ins Rutschen gerät, bleibt erfahrungsgemäß kaum ein Unternehmen verschont. Meine Hoffnung ist, dass in diesem Fall zumindest die Dividende stabil bleibt, so wie es Walgreens in der letzten Finanzkrise geschafft hat.

Das Dividenden-Füllhorn von Rio Tinto

Rio Tinto gehört zu den größten Dividendenzahlern in meinem Portfolio. Allerdings zeigt das Unternehmen auch, wie risikoreich das Investieren in Hochdividendentitel sein kann.

Als ich 2015 die ersten Anteile gekauft habe, lag die Dividendenrendite bei über fünf Prozent, und das Unternehmen versprach, weiterhin eine „progressive dividend policy“ zu verfolgen, also die Dividenden  kontinuierlich zu erhöhen. Das klang zu gut, um wahr zu sein. Und leider war es das auch. Nach einem katastrophalen Jahr hatte Rio Tinto 2016 die Dividende drastisch gekürzt und sich von dem Versprechen einer kontinuierlichen Erhöhung verabschiedet. Der Kurs hatte sich in der Zwischenzeit fast halbiert.

Glücklicherweise hab ich damals nicht das Handtuch geworfen, sondern im Gegenteil nochmal nachgekauft, da ich vom fundamentalen Wert des Unternehmens weiterhin überzeugt war. Und siehe da, nicht nur der Kurs hat sich wieder deutlich erholt, auch die Dividende ist kräftig gestiegen. Dieses Jahr gibt es neben der „üblichen“ Dividende noch eine Sonderzahlung an die Aktionäre durch den Verkauf einiger Minen. Was insgesamt zu sagenhaften 12 Prozent Ausschüttungsrendite auf meinen Einstandspreis führt. Allerdings vor Steuern, nach Steuern sind es 9 Prozent. Und gerechnet auf den heutigen, deutlich höheren Aktienkurs liegt die Ausschüttung bei immer noch respektablen 6,9 Prozent.

Linke Tasche rechte Tasche

Nun ist die Ausschüttung von Gewinnen, und insbesondere die Ausschüttung durch den Verkauf von Firmenwerten eigentlich ein Nullsummenspiel: Der Aktionär erhält zwar Geld ausgezahlt, dafür ist der Wert des Unternehmens um genau diesen Betrag gesunken. Gerade die verkauften Minen werden zukünftig ja nicht mehr zum Gewinn des Unternehmens beitragen.

Und genau das ist auch passiert: Am ex dividend Tag Anfang März, also dem Stichtag für die Dividendenausschüttung, ist der Aktienkurs von Rio um über neun Prozent abgestürzt. Aber siehe da, keine sechs Wochen später hat der Kurs sich nicht nur erholt, sondern den Stand vor Dividendenabzug sogar deutlich überschritten. Linke Dividendentasche und rechte Unternehmenswerttasche beide prall gefüllt, so kann das gerne weitergehen.

Kursverlauf Rio Tinto plc

 

Deutsche Bank vs. Bier: Was ist die bessere Kapitalanlage?

Faszinierend: Wer vor fünf Jahren 1.000 Euro in die Deutsche Bank investiert hat, besitzt jetzt nur noch Aktien im Wert von 237 Euro. Hätte man stattdessen für das gleiche Geld Bier gekauft, hätte man die letzten Jahre jeden Monat über eine Kiste trinken können und immer noch 239 Euro an Pfandgeld übrig. Und damit sogar mehr in der Tasche als der Deutsche-Bank Aktionär.

Zum Nachrechnen:

deutsche bank logo

Deutsche Bank:
Xetra-Schlusskurs am 15.01.2014: 33,99 Euro – für 1.000 Euro gab es damals 29,42 Aktien
Xetra-Schlusskurs am 04.12.2018: 8,06 Euro – die 29,42 Aktien sind nur noch 237,13 Euro wert.

Bier:
70 Kisten Bier à 10,90 Euro (üblicher Angebotspreis im Supermarkt, da muss man noch nicht mal zu Oettinger greifen), plus 3,42 Euro Pfand pro Kiste, macht zusammen 1002,40 Euro
Am Ende übrig: 70 Kisten Leergut à 3,42 Euro, macht 239,40 Euro Pfandgeld.

Der Fairness halber: in diesem Zeitraum wurde insgesamt rund ein Euro pro Aktie an Dividende ausgeschüttet, damit läge der DB-Aktionär im Vergleich zum Leergutsammler ganz leicht im Plus, und hätte auch vermutlich nicht so einen großen Bierbauch…

Wenn man sich die Kursdaten auf der Website der deutschen Börse anschaut, ist der Kursverlust sogar noch dramatischer, denn hier stand die Aktie im Januar 2014 noch bei fast 40 Euro. Allerdings gab es 2014 und 2017 Kapitalerhöhungen bei der Deutschen Bank, bei denen die Altaktionäre jeweils ein geldwertes Bezugsrecht bekamen. In den Kursdaten z.b. bei der Comdirect sind diese Kapitalerhöhungen als „Aktiensplit“ in die Kurse eingerechnet, was den Kursverfall etwas abmildert.

Der Witz mit Bier und Deutscher Bank ist übrigens schon ein wenig älter, lässt sich aber erschreckenderweise immer wieder recyclen. Denn das ganze hat auch schon 2008 nach der Lehman Pleite funktioniert, damals war das Biertrinken noch etwas lukrativer:

Die Deutsche Bank Aktie war innerhalb von nur eineinhalb Jahren von 114 auf knapp 26 Euro abgestürzt. Damals hätte das Geld in Bier investiert sogar jede Woche für eine Kiste Bier gereicht, und am Ende wäre mehr Geld in Pfand übrig geblieben als bei einer Investition in Deutsche Bank Aktien.

Verkauf: Conduent

Der dritte Teil meines Stop Loss Experiments: Nach Lufthansa und Highlight ist auch bei Conduent die Reißleine gezogen worden.

Conduent habe ich selber gar nicht gekauft, und ich weiss bis heute nicht so genau, was der Laden eigentlich macht. Die Aktien habe ich vor zwei Jahren als Anteilseigner von Xerox bekommen. Der Druckerhersteller hatte sein „Business Process Outsourcing“ Geschäft abgespalten und als Conduent an die Börse gebracht. Alle Xerox-Investoren haben entsprechend Aktien vom neuen Unternehmen bekommen. Diese Aktien durfte ich dann auch noch versteuern, weil man jetzt ja statt einer ganze Torte zwei Stück Torte hat, was aus Sicht des Finanzamtes ein geldwerter Vorteil ist.

Anyway, die gute Nachricht ist, dass sich Conduent an der Börse ganz ok entwickelt hat: Von anfangs knapp 13 Euro stieg der Kurs in der Spitze auf 20 Euro. Allerdings war meine Position auch mit gestiegenem Kurs noch ziemlich mickrig, so dass ich Conduent mit einem trailing stop loss auf die „Zu Verkaufen“ Liste gesetzt habe, um mein Depot mittelfristig etwas aufzuräumen.

Diesmal hat das mit dem nachziehenden Stop Loss sogar halbwegs funktioniert: Im August stand der Kurs bei 18,26 Euro, den Stop Loss habe ich mit gebührendem Abstand auf 16,49 Euro gesetzt, damit er nicht sofort bei einer kleinen Tagesschwankung ausgelöst wird.

Conduent legte die nächsten Wochen kontinuierlich zu, und der Stop Loss zog nach. Anfang Oktober gings dann aber im allgemeinen Strudel wieder deutlich runter und der Stop Loss hat bei 18,31 Euro ausgelöst.

Im Vergleich zum direkten Verkauf habe ich mit dem Stop Loss also sensationelle fünf Cent pro Aktie mehr verdient. In Summe hat mir das sage und schreibe 1,50 Euro mehr eingebracht.

Der geneigte Leser kann jetzt per einfachem Dreisatz den Gesamtwert meiner Conduent-Aktien erschließen  – und mit etwas Recherche sogar die Größe meiner Xerox-Position ermitteln. Mit letzterer liege ich übrigens nach 19 Jahren Haltedauer immer noch satt im Minus. Da sage nochmal jemand dass langfristiges Halten von Aktien sich am Ende immer auszahlt.

Verkauf: Highlight Communications

Und weiter gehts im fröhlichen Ausverkauf des Teilzeitinvestor-Depots: Nach Lufthansa ist auch bei Highlight Communications der Stop Loss gerissen worden. Wie schon mit Lufthansa hat auch Highlight in den letzten zehn „buy-and-hold“ Jahren einiges an Achterbahnfahrt für mich im Angebot gehabt.

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