Kaufen auf dem Allzeit-Hoch?

DAX, Dow Jones & Co. eilen von einem Rekordstand zum nächsten. War die Marke von 10.000 beim DAX bis vor wenigen Wochen noch eine scheinbar schwer zu nehmende Hürde, liegen wir mittlerweile schon locker 10% darüber. Ist es jetzt zu spät, noch einzusteigen, steht die Korrektur oder gar ein Crash unmittelbar bevor und sollte man lieber sein Pulver trocken halten? Oder geht die Party ungebremst weiter, und die Kursstände von heute werden rückblickend als perfekte Kaufmöglichkeiten erscheinen?

Für einen Kommer-gestählten passiven Investor, der aktivem Trading abgeschworen hat und auf langfristiges buy-and-hold von Indexfonds setzt, stellt sich die Frage eigentlich gar nicht: Stock-Picking, also das aktive Auswählen vermeintlich erfolgversprechender Aktien, ist genauso unsinnig wie Market-Timing, also das Suchen nach dem perfekten Einstiegszeitpunkt, denn niemand ist (dauerhaft) schlauer als der Markt und kann daher den besten Einstiegspunkt vorhersagen. Es spielt also keine Rolle, ob der Markt von einem Allzeit-Hoch zum nächsten stürmt oder massiv abstürzt, langfristig gesehen sind die Erfolgsaussichten auf einem Hoch genauso gut wie nach einem veritablen Crash.

Alles Psychologie

Psychologisch ist das leider nicht ganz so einfach: Dass der DAX sich von aktuell 11.000 Punkten auf vielleicht 5.500 halbiert, ist vielleicht nicht wahrscheinlich, aber durchaus im Bereich des Vorstellbaren, schließlich liegt ein realer Indexstand von 5.500 Punkten keine dreieinhalb Jahre zurück. Geht man noch etwas weiter zurück ins Jahr 2009, sind wir schon bei DAX Ständen von unter 4.000 Punkten, die die meisten Investoren aus eigener Erfahrung kennen, ohne in Geschichtsbüchern blättern zu müssen. Die Fallhöhe ist also beträchtlich. Und dass sich der Markt tatsächlich mal eben halbiert, ist keine theoretische Möglichkeit sondern z.b. zwischen 2008 und 2009 tatsächlich geschehen. Ob das Aufwärtspotential ebenso hoch ist, lässt sich aus Erfahungswerten nur theoretisch ableiten, denn einen DAX Stand von 20.000 hat noch niemand miterlebt. Der DAX als Performance Index ist hierbei sogar etwas trügerisch: Da ausgezahlte Dividenden in den Index mit eingehen würde der DAX selbst steigen, wenn Wert der enthaltenen Firmen über Jahre stagniert. Der DAX Kursindex (also ohne Berücksichtigung ausgezahlter Dividenden) hat erst seit Anfang 2015 sein Allzeithoch von 2008 gerade so übertroffen, wer also auf dem letzten Hoch gekauft hat, musste rund sieben Jahre warten, bis er wieder plus-minus-null da steht.

Cost Average als Lösung?

Um dem Risiko zu entgehen, all sein Geld zu Höchstkursen investiert zu haben und bei einem Absturz dramatisch zu verlieren, wird als Patentlösung immer wieder das Cost Averaging empfohlen, also das Anlegen in kleinen, zeitlich gestreckten Tranchen. Klingt erstmal logisch: Ich setze nicht alles auf eine Karte, kann bei fallenden Kursen mit der nächsten Tranche meinen Einstand „verbilligen“ und insgesamt die Volatilität meiner Investments senken. Allerdings führt die geringere Schwankung, die ich mir durch cost averaging erkaufe dazu, dass ich nicht nur bei Verlusten weniger stark betroffen bin, sondern auch bei Kurssteigerungen weniger stark profitiere. Letztendlich also ein Nullsummenspiel, was aber zumindest psychologisch den einen oder anderen ruhiger schlafen lässt.

 Blase, welche Blase?

Allzeithochs von heute sind die Kaufgelegenheiten von morgen. Und dennoch: What goes up, must come down, die Börse ist keine Einbahnstraße, [insert weitere floskel hier] – auf einen stetigen Aufstieg folgt zwangsläufig irgendwann der Rückschlag, was schlicht die Regression zum Mittelwert vorschreibt. Je länger eine Börsenhausse dauert, je weiter sich Werte wie Kurs-Gewinnverhältnis, Kurz-Buchwertverhältnis und andere Bewertungskriterien von ihren historischen Durchschnittswerten entfernen, desto plausibler wird das Szenario eines Börsencrashes, und wer will schon kurz vor einem Crash investieren. So ganz kann ich mich von der Idee nicht verabschieden, dass es objektiv messbare Kursübertreibungen (vulgo: Blasen) gibt, und man lieber mit dem Kaufen abwartet, bis so eine Blase platzt. Und werde mich spätestens dann darüber ärgern, wenn die Blase, wie es Blasen so an sich haben, noch viel weiter läuft und der DAX in wenigen Monaten bei 15.000 steht und Gerhard Kommer mal wieder Recht damit behalten hat, dass erfolgreiches Market Timing nicht möglich ist.

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