Strategien gegen Strafzinsen

Negativzinsen auf Ersparnisse bei der Bank sind schon seit einiger Zeit in den Schlagzeilen. Waren es anfangs eher obskure Institute wie die Deutsche Skatbank, die Strafzinsen für Guthaben eingeführt haben, und betraf das auch zunächst nur große Guthaben ab 100.000 Euro aufwärts, kommen Negativzinsen mittlerweile auch bei Otto-Normalsparer an. Die Direktbank ING, früher durch solide Zinsen auf’s „Extrakonto“ gerade bei Kleinsparern beliebt, führt ab November ab einem Betrag von 50.000 Euro Negativzinsen ein.  Auch die Commerzbank verlangt ab diesem Monat 0,5 Prozent „Verwahrentgelt“ für Einlagen ab 50.000 Euro. Die Postbank fängt sogar schon bei 25.000 Euro Tagesgeld an, Strafzinsen zu kassieren.

Wer sein Geld bislang nicht bereits komplett  in Aktien gesteckt hat, und zumindest einen Teil des Ersparten als Barrreserve auf dem Tagesgeldkonto hat, kommt also schon schnell in Regionen, in denen Strafzinsen relevant werden. Ich gehe davon aus, dass die Grenze noch weiter nach unten in Richtung 10.000 Euro gehen wird, und es kaum noch Institute geben wird, die überhaupt keine Verwahrentgelte kassieren.

Was kann man also tun? Gehen wir mal von zwei Szenarien aus:

Szenario A: Edith Emsig traut dem Aktienmarkt nicht. Von ihrem Angestelltengehalt hat sie jeden Monat ein paar hundert Euro abgezwackt und auf ihr Tagesgeldkonto überwiesen. Mittlerweile haben sich dort 50.000 Euro angesammelt.

Szenario B: Paul Profitlich hat insgesamt eine halbe Million Euro Vermögen angespart. Zwar hat er einen Wertpapiersparplan auf einen marktbreiten Indexfonds, und immer mal wieder Einzelaktien gekauft. Aber er wartet schon seit Jahren auf den großen Crash und hat deshalb die Hälfte seines Vermögens, also 250.000 Euro, auf Giro- und Tagesgeldkonto gehortet.

[Szenario C von Karl Krösus, der neben millionenschwerem Immobilien- und Aktienbesitz auch noch eine Million Euro flüssig auf dem Konto hat, betrachten wir hier nicht. Leute wie Krösus lesen eh keine Finanzblogs, sondern haben Private Banking Berater oder Family Offices, die sich um gebühren- und steuersparende Anlagemodelle kümmern.]

Wie können Edith und Paul Strafzinsen umgehen, wenn Verwahrentgelte flächendeckend eingeführt werden und auch schon ab 20.000 Euro fällig werden?

Divide et impera!

Die naheliegenste Möglichkeit  Strafzinsen zu umgehen, ist, einfach zu einer Bank zu wechseln die noch keine kassiert. Allerdings ist ein kompletter Bankenwechsel mit Aufwand verbunden, und oft hat man sich seine Bank ja aus gutem Grund ausgewählt, etwa weil die sonstigen Konditionen attraktiv sind oder der Bargeldautomat in der Nachbarschaft steht. Darüber hinaus ist es nur eine Frage der Zeit, bis das neue Institut auch Verwahrentgelte einführt. Insofern ist ein kompletter Wechsel keine nachhaltige Lösung. Deutlich einfacher ist es, das Vermögen auf mehrere Banken zu verteilen.

Wer schon länger in der Finanzblogszene unterwegs ist, wird vermutlich aus Zinshopping-Zeiten eh noch ein paar Zombie-Bankverbindungen haben, die man reaktivieren kann: Das Extra-Konto bei der Diba, wo zwar kein Geld mehr drauf liegt, weil es dort schon lange keine Zinsen mehr gibt, das man aber irgendwie vergessen hat, ganz zu kündigen. Oder das Postbank Girokonto, das man damals wegen der Willkommensprämie eröffnet hat, seitdem aber nicht mehr nutzt.

Wenn man eine neue Bankverbindung sucht, ist es natürlich entscheidend, dass die Bank das Konto kostenlos anbietet, denn sonst zahlt man zwar keine Strafzinsen, dafür aber Kontoführungsgebühren, die schnell deutlich höher liegen können als 0,5 Prozent Strafzins.

Komplett kostenlose Konten, die man zusätzlich zum Gehaltskonto (sprich: ohne monatlichen Geldeingang) nutzen kann, sind selten geworden, aber es gibt sie immer noch. Da ist zum einen das DKB Cash Konto*. Auch die DKB hat ihre Konditionen für das Basiskonto verschlechtert, das volle Programm bekommt man nur noch als „Aktivkunde“ mit regelmäßigem Geldeingang. Zum Zweck des Geldparkens reicht das kostenlose Basiskonto aber vollkommen aus. Bei klassischen Banken wird es ansonsten immer schwieriger, bedingungslose Gratiskonten finden.

Eine gute Alternative sind Neobanken wie Vivid** oder N26: Bei diesen Anbietern ist ein kostenloses Konto per App innerhalb kurzer Zeit eingerichtet und kann dann direkt mit Geld befüllt werden. Auch diese Anbieter unterliegen der deutschen Einlagensicherung, sind also im Krisenfall bis 100.000 Euro genau so abgesichert wie Deutsche Bank & Co.

Edith Emsig wäre mit dieser Strategie bereits gut bedient: Neben ihrer Hausbank ein Zusatzkonto bei der DKB und eins bei Vivid, schon wären ihre 50.000 Euro verteilt auf jeweils unter 20.000 Euro pro Bank. Und falls eine Bank die Konditionen verschlechtert, kann fix mit einer Überweisung hin- und hergeschichtet werden.

Paul Profitlich wird mit diesem Schritt sein Problem noch nicht vollständig gelöst haben, denn auch aufgeteilt auf drei Banken wäre sein Cash-Bestand immer noch deutlich über 50.000 Euro pro Bank. Und zehn Banken mit kostenloser Kontoführung zu finden um den Betrag zu drücken wäre nicht nur schwierig, sondern würde den Aufwand für den ganzen Spaß auch in Höhen treiben, die nicht mehr in Relation zum gesparten Strafzins stehen.

Fest und flauschig

Die Strategie, das Geld auf mehrere Giro- oder Tagesgeldkonten bei verschiedenen Banken zu verteilen, ist also nur bei kleineren Cash-Summen zielführend, und auch vermutlich nicht besonders stabil, weil die Banken ihre Konditionen kontinuerlich verschlechtern, Gebühren einführen, Schwellen für Verwahrentgelte senken, etc. Wer etwas mehr Ruhe haben will und sich längerfristig gegen Minuszinsen absichern will, kann das mit einem Instrument tun, das etwas aus der Mode gekommen ist, seit das Zinsniveau eingebrochen ist: dem Festgeld.

Es gibt nach wie vor einige Banken mit deutscher oder vergleichbarer niederländischer Einlagensicherung, die auf Festgeld Zinsen bezahlen. Länger als zwei Jahre würde ich mein Geld nicht fest anlegen wollen, denn bei der derzeit stark anziehenden Inflation kann sich das Zinsniveau mittelfristig auch wieder drehen. Kürzer als zwei Jahre macht aber auch keinen Sinn, denn wenn die Zinsen weiter unter Druck geraten, hat man in 12 Monaten, gleich wieder Anlagedruck. Außerdem ist der Zins bei 24 Monaten Laufzeit zwar immer noch nicht sensationell, aber zumindest oft doppelt so hoch wie bei einjähriger Laufzeit.

Zwei Beispiele:

  • Die akf Bank zahlt für zweijähriges Festgeld derzeit 0,2% Zinsen, mit deutscher Einlagensicherung und ohne Kontoführungsgebühren.
  • Die niederländische NIBC Bank bietet für Festgeld mit zweijähriger Laufzeit 0,35% Zinsen. Auch hier ohne Gebühren, und mit niederländischer Einlagensicherung, die ich bis 100.000 Euro für ähnlich verlässlich halte wie die deutsche.

Auch wenn die Zinsen auf Festgeld mikroskopisch sind – addiert man die eingesparten Negativzinsen auf den Ertrag, kommt man zumindest wieder in Regionen von einem Prozent Rendite.

Wer sich schwer tut, sein Geld für zwei Jahre wegzuschließen, baut sich einfach eine Festgeldleiter: Statt 100.000 Euro auf einmal anzulegen, schließt man alle sechs Monate Festgeld über 25.000 Euro ab. Man kassiert damit Zinsen für zweijähriges Festgeld, hat aber trotzdem alle sechs Monate Zugriff auf ein Viertel der Anlagesumme, falls es auf dem Girokonto mal eng wird.

Mehr als jeweils 100.00 Euro würde ich nicht bei einer Bank anlegen, gerade bei kleineren Instituten ist eine Schieflage nie ganz auszuschließen, wie man vor ein paar Monaten bei der insolvent gegangenen Greensill Bank gesehen hat. Bei Greensill hat man aber auch gesehen, dass die Einlagensicherung im Krisenfall relativ unkompliziert Beträge bis 100.000 Euro erstattet.

Paul Profitlich könnte mit Festgeld sein Negativzins-Problem für die nächsten zwei Jahre einfach aus der Welt schaffen: Jeweils 100.000 Euro bei akf und NIBC anlegen, und die restlichen 50.000 Euro Cash auf zwei Giro- oder Tagesgeldkonten aufteilen, damit wäre er aus dem Schneider. Auch für Edith Emsig wäre es sicher sinnvoll, zumindest die Hälfte der gesparten 50.000 Euro als Festgeld(-leiter) anzulegen, um den jetzt noch möglichen Minizins mitzunehmen und für 24 Monate festzuschreiben.

Lacht das Bargeld?

Wenn das Geld auf dem Konto jeden Tag durch Minuszinsen an Wert verliert, warum dann nicht einfach alles abheben? Von Bargeld in der Tasche kann die Bank keinen Minuszins abziehen. Leider ist das, vor allem bei den Summen, von denen wir hier sprechen, auch nicht ganz kosten- oder risikolos, denn irgendwo müssen die Scheine ja gelagert werden. Klassisch wäre ein Bankschließfach, in dem man das Geld bündelweise einlagert. Aber hier hat die Bank schon immer das sprichwörtliche Verwahrentgelt kassiert, in Form von jährlichen Gebühren für das Schließfach. Abgesehen davon gibt es bei vielen Banken gar keine Schließfächer mehr, und bei denen die noch welche anbieten, gibt es oft lange Wartelisten für ein freies Fach.

Bleibt die heimische Matraze, oder der Tresor im Schlafzimmer. Aber auch so ein Tresor kostet Geld, und schützt am Ende auch nur begrenzt gegen Einbruch, Feuer oder Hochwasser. Wie man es dreht und wendet, mit der Lagerung von Scheinen und Münzen sind Kosten und/oder Risiken verbunden, die im Gegensatz zu nominellen Negativzinsen auf dem Bankkonto oft deutlich mehr ins Gewicht fallen.

Das ist einer der Gründe, warum auch im Handel immer mehr auf bargeldlose Zahlung gesetzt wird: Das Handling von Cash ist für Supermärkte oder Möbelhändler oft teurer als die Gebühren, die für den Händler bei Kreditkartenzahlungen fällig werden.

Pink Elephant

Bei der Diskussion um Negativzinsen sollte man generell eins nicht übersehen: Faktisch sind wir eh schon lange im negativen Bereich. In der Praxis muss man den nominellen Zins nämlich immer in Relation zu Inflation sehen. Bei einer Inflation von aktuell über drei Prozent verliert man real Geld, selbst wenn die Bank noch ein paar Mini-Promille Zinsen auf das Ersparte zahlt. Daher ist das Thema Negativzinsen am Ende vor allem ein psychologisches Problem und macht den Geldverlust auf dem Sparkonto nur offensichtlich, der vorher schon real war.

Der sprichwörtliche Elefant im Raum ist vielmehr die Frage, warum man überhaupt soviel Cashbestand hat, dass einen der Negativzins treffen kann. Warum hortet man Geld auf dem Tagesgeldkonto, dass seit Jahren keine echte Rendite mehr abwirft, wenn man sein Geld mit Aktien, Immobilien oder Bitcoins inflationssicher anlegen kann, und darüber hinaus auch schöne Renditen winken.

Edith Emsig kann man tatsächlich nur raten, ihre monatliche Sparrate in einen Wertpapiersparplan auf einen marktbreiten Indexfonds umzustellen, statt das Geld weiter aufs Tagesgeldkonto zu pumpen. Das ist psychologisch einfacher, als mit den ersparten 50.000 Euro direkt „all-in“ in den Aktienmarkt zu gehen, und stellt mittelfristig sicher, dass das Ersparte besser diversiviziert und auch inflationssicherer ist.

Ob Paul Profitlich statt mit Festgeld und neuen Bankkonten zu hantieren sein Cash lieber gleich in ETFs, Bitcoins oder Immobilien stecken sollte, ist hingegen nicht ganz so einfach zu beantworten. Nur aufgrund drohender Negativzinsen alles wild in Sachwerte zu stecken, ist sicher keine gute Strategie. Gerade bei Immobilien sind die Kaufpreise in Toplagen so stark gestiegen, dass durch Vermietung keine wirkliche Rendite mehr zu erzielen ist, weil die Mietpreise nicht in gleichem Maße angezogen sind. Im Moment sieht es zwar so aus, als wenn Wohnungen in Toplagen zumindest nie an Wert verlieren können. Das hat man allerdings in London bis vor einigen Jahren auch gedacht. Mit dem Brexit sind die Preise dort auch bei „krisensicheren“ Immobilien durch die Bank um 20 Prozent eingebrochen. Auch bei Aktien sind die Kurs/Gewinnverhältnisse in einigen Branchen wieder auf dem Niveau, auf dem sie vor dem Dot Com Crash waren.

Der einzige „sichere“ Tip aus diesem Dilemma: Diversifizieren, nicht alles auf eine Karte setzen, weder auf Cash noch rein auf Aktien oder Immobilien. Den Negativzins zumindest mal zum Anlass zu nehmen, seine eigene Asset-Allokation kritisch zu hinterfragen, ist sicher nicht die schlechteste Idee.

 

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**Affiliate Link: Bei Kontoeröffnung zahlt Vivid eine Prämie an den neuen Kunden und an den Werber.

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